Grabungen am Poetenweg in Zwickau
Älteste Funde stammen aus dem 15. Jahrhundert.
Der untersuchte Bauabschnitt liegt im Gebiet der um das 11. Jahrhundert entstandenen Siedlung Osterwein/Alt-Zwickau. Das Dorf verfügte über eine Pfarrkirche, die zunächst der Jungfrau Maria und später dem Heiligen Mauritius geweiht wurde und die bei früheren Grabungen im Bereich der Osterweihstraße 17 und 19 lokalisiert werden konnte. Ab dem fortgeschrittenen 12. Jahrhundert entstanden südöstlich dieser Alt-Siedlung mit der Errichtung der Marien-, Nikolai- und Katharinenkirche weitere zentrale Punkte in der mittelalterlichen Stadt. Im 15. Jahrhundert wurde Osterwein inklusive Kirche bei kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört und anschließend nur das Gotteshaus wiederaufgebaut. In den 1860er-Jahren wurde diese Moritzkirche abgetragen und an ihrem heutigen Standort neu errichtet. Währenddessen florierte die Stadt Zwickau und breitete sich ab dem Ende des 18. Jahrhunderts auch über die frühere Stadtbefestigung hinaus aus. Das untersuchte Gelände war nach der Zerstörung der Alt-Siedlung weitgehend unbebaut belassen worden und charakterisierte sich durch Gärten und Wiesen. Der Moritzbach verlief in dieser Zeit noch in seinem natürlichen Flussbett und wurde erst in den 1890er Jahren, mit der weiteren Ausbreitung der Stadt, begradigt und verrohrt. Auch die nach und nach einsetzende Wohnbebauung im Poetenweg zeugt von dieser regelhaften Stadterweiterung. Die Funde spiegeln diese Entwicklung wider. Es lassen sich hauptsächlich Fragmente aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachweisen, die zum einen aus der Baugrubenverfüllung des begradigten Moritzbachs stammen, zum anderen der regen Bautätigkeit im Poetenweg zuzuordnen sind, die ab der Gründerzeit stattfand. Erwähnenswert sind hier Steinzeugflaschen für sogenanntes „Sauerwasser“ (Mineralwasser mit Kohlensäure), unter anderem aus Niederselters, sowie eine aus Ungarn importierte Glasflasche für „Bitterwasser“ (Mineralwasser ohne Kohlensäure für den medizinischen Gebrauch). Auch aus dem frühen 20. Jahrhundert lassen sich Objekte nachweisen, darunter Jungendstilfigürchen.
Zu den interessantesten und bisher ältesten Funden im Grabungsgebiet zählen jedoch Fragmente aus einer dünnen Schwemmschicht aus der unmittelbaren Umgebung des Moritzbachs, die sich in das 15. Jahrhundert datieren lassen. Der Großteil besteht aus hartgebrannter, grauer Irdenware. Vereinzelt sind auch Glasuren nachweisbar. Diese lassen sich mit dem Ort Osterwein in Verbindung bringen, bei dessen Verwüstung naturgemäß auch Haushaltsgegenstände zu Bruch gingen oder verloren wurden. Vermutlich wurden sie durch den damals noch mäandrierenden Moritzbach an der Stelle abgelagert, an der sie nun aufgefunden wurden.
Nicole Eichhorn