Vom Schicksal eines Gräberfeldes bei Hermsdorf, Kr. Bautzen
Als neunjähriger Junge ging Horst Keiling aus Hermsdorf bei Dresden nach der Schule zum Buddeln in die nahegelegene Sandgrube des Bauern Eichhorn.
Er entdeckte dabei Scherben, die er in der Schule herumzeigte und die dort für wertvoll erachtet wurden. So war das Interesse geweckt. Der Junge ging immer wieder zum Nachgraben in die Sandgrube und hatte auch Erfolg. Das war 1943 mitten im Zweiten Weltkrieg. Die Erwachsenen hatten andere Sorgen, als sich um die Kinder zu kümmern. Die Grabungen wurden mit Gleichaltrigen auch nach Kriegsende fortgesetzt. Das Kinderspiel war, ein Forscher zu sein, und das Ziel bestand in dem Auffinden ganzer Gefäße. Scherben und Knochen waren uninteressant.
Die zusammengetragenen Funde wurden später an das Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden übergeben. Der damalige Leiter, Werner Coblenz, bat Horst Keiling etwas zu den Funden aufzuschreiben, und stellte ihm dafür die Zeichnungen der Stücke zur Verfügung. Horst Keiling blieb bei der Archäologie. Er studierte in Berlin, wurde Bezirksdenkmalpfleger in Schwerin und Direktor des Museums für Ur- und Frühgeschichte Schwerin, zuletzt Professor am Altertumsinstitut der Universität Rostock und Leiter des Fachbereichs Ur- und Frühgeschichte der Freien Lauenburgischen Akademie für Wissenschaft und Kultur.
Jetzt, in seinem 90. Lebensjahr, kehrt Horst Keiling zu den Anfängen zurück und hat in einem Buch die Funde seiner Schülerzeit aus Hermsdorf zusammenfassend dargestellt. Das Buch beschreibt sehr eindringlich das Schicksal eines Gräberfelds der bronzezeitlichen Lausitzer Kultur, das dem Interesse oder Desinteresse der Dorfbewohner überlassen bleibt. Durch Sandabbau und Bauarbeiten wurden die Gräber geöffnet und teils mutwillig zerstört. Die Inhalte wurden zerstreut oder vernichtet. Nur der kleinste Teil gelangte – in seinen Zusammenhängen undokumentiert – in die Museen. Es bleiben einzelne Fundstücke, intakte Amphoren, Terrinen, Tassen und Schalen aus der Zeit der Buckelkeramik im 13. Jh. v. Chr. bis an den Beginn der Billendorfer Kultur im 8. Jh. v. Chr. Es gibt verbrannte Reste von Nadeln und Bronzespiralen, eine Pfeilspitze, ein Tüllenmeißel. Durch den Vergleich mit ähnlichen Fundstellen ist zu schließen, dass der Friedhof ursprünglich möglicherweise mehrere Hundert Bestattungen umfasst haben muss.
Dr. PD. Ronald Heynowski
Literatur: H. Keiling, Betrachtungen zu archäologischen Funden und Fundplätzen der Lausitzer Kultur in Hermsdorf bei Dresden, Gm. Ottendorf-Okrilla. Kindheits- und Jugenderinnerungen (Schwerin 2024).
ISBN: 978-3-946324-71-3
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