25.06.2012

Das Wiegenkind aus Zwickau

Das Wiegenkind ist ca. 7,5 cm lang 
© Landesamt für Archäologie

Neue Funde auf der Zwickauer Grabung am Domhof von St. Marien

Am vergangenen Freitag wurden auf der Grabung am Zwickauer Domhof neue Funde geborgen, darunter die kleine Tonfigur eines Wiegenkindes. Das Wiegenkind lag auf dem im 16. Jh. aufgegebenen Friedhof der Marienkirche. Es läßt sich keinem Befund zuordnen, stammt nicht aus einem Grab, sondern gehört, wie einige Tierknochen, Keramikfragmente und Tonmurmeln, zu den Streufunden. Solche alltäglichen Gegenstände in der immer wieder um- und umgegrabenen Friedhofserde weisen auf eine vielfältige Nutzung des Platzes hin, die keineswegs auf die Funktion als Bestattungsplatz beschränkt war. Wie die Tonmurmeln so werden auch die Wiegenkinder als Kinderspielzeuge gedeutet. »Unser« Wiegenkind ist das erste annähernd vollständig erhaltene Exemplar aus Zwickau, das Fragment eines weiteren ist aus einer früheren Grabung bekannt. Es ist aus feinem weißen, gebrannten Ton gefertigt und wurde von einem Model abgeformt. Die Wiege hat an den Längsseiten runde Unterkanten, kann also tatsächlich »wiegen«.  Vergleichsstücke und die Frisur des Kindes datieren das Stück in das 15. Jh. Am Domhof und im Schulgäßchen, d.h. im Übergangsbereich zwischen spätmittelalterlicher bis moderner Bebauung und dem ehemaligen, heute als Platz genutzten, Friedhof, wird seit dem 15. März baubegleitend im Vorfeld von Heizungstrassen für die »Zwickauer Energieversorgung« (ZEV) gearbeitet und gegraben. Neben Kellern, Fundamenten, ausgedehnten Brandschichten sowie einem im 12. Jh. zugeschütteten Teich wurden aktuell Reste von etwa siebzig Skelettindividuen dokumentiert.

Jörg Wicke M.A. (Grabungsleiter)

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