Luftbildarchäologie
Archäologie aus der Luft
Die Luftbildprospektion gehört zu den Methoden der Archäologie, die in Sachsen erst nach der Wende möglich wurden. Sie setzt einen sehr flexiblen, vom Pflanzenwachstum und den Wetterbedingungen abhängigen und kurzfristig planbaren Einsatz eines kleinen Sportflugzeuges voraus.
In den 90er Jahren nahm sich Otto Braasch, der altgediente Experte der deutschen Luftbildarchäologie, dieser Aufgabe für Sachsen an. In wenigen Jahren entdeckte er mehr als 3000 neue Fundstellen und erweiterte damit die Kenntnis der archäologischen Landschaften erheblich.
Seit 2001 führt das Landesamt für Archäologie die Bildflüge in eigener Regie durch. Dazu wird ein Ultraleichtflugzeug gechartert, und der mit Karten und Kameras ausgerüstete Archäologe geht in 300-400 m Höhe auf Fundstellensuche. Die Ziele sind die Kontrolle und fotografische Erfassung oberirdisch sichtbarer archäologischer Denkmale, die Dokumentation aktueller großflächiger Ausgrabungen und die Prospektion bislang unbekannter Fundstellen.
Das Luftbildarchiv des Landesamtes für Archäologie verfügt zur Zeit über mehr als 120 000 Luftbilder, die für die älteren Jahrgänge als Farbdia oder Schwarzweißnegativ, seit mehr als 10 Jahren aber als Digitalbild vorliegen.
Die Flugprospektion (Erkundung noch unbekannter Denkmale) basiert auf der Tatsache, dass die Eingriffe des Menschen in die Erde die Bodenstruktur verändern. Dort, wo sich heute verfüllte Gräben und Gruben befinden, speichert der Boden geringfügig mehr Wasser und bietet den Pflanzen gute Wachstumsbedingungen; dort, wo Wege den Boden verdichten oder Fundamente für einen steinigen Untergrund sorgen, ist das Pflanzenwachstum gehemmt. Diese kleinräumigen Unterschiede im Wachstumszyklus der Pflanzen lassen sich aus der Luft als Farbunterschiede oder Höhendifferenzen erkennen. Besonders deutlich treten die Merkmale bei einjährigen Pflanzen auf, insbesondere bei Getreide, Mais und Rüben, wobei sich das individuelle Wachstumsverhalten jeder Pflanze wie der Bildpunkt eines Digitalbildes verhält.
Die Ausprägung der Bewuchsmerkmale ist nicht jedes Jahr gleich, sondern von vielfältigen variablen Umständen abhängig. Dazu zählen beispielsweise der Umfang der Frostbelastung des Wintergetreides sowie Trockenheit oder Feuchte in den wichtigen Wachstumsmonaten April und Mai. Entsprechend hat das „Dürrejahr“ 2018, das heißeste Jahr seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnung, zu außergewöhnlich guten Ergebnissen geführt. Bei extremer Trockenheit konnten selbst im Mais und sogar im Gras – im Allgemeinen schlechte Anzeigepflanzen – die Umrisse prähistorischer Bauten festgestellt werden. Auch in der Saison 2019 haben die Trockenheit und der niedrigen Grundwasserpegel zu sehr guten Beobachtungsmöglichkeiten geführt.
In Sachsen lassen sich durch die Luftbildprospektion sehr gut Befestigungen und Grabenanlagen oder der Verlauf historischer Wege dokumentieren. Heute eingeebnete Grabhügel oder trapezförmige Grabanlagen gehören zu den weiteren häufigen Beobachtungen. Sehr gute Bedingungen sind für prähistorische Hausgrundrisse erforderlich, bei denen jeder einzelne Pfosten erkennbar ist.
Die Flugroute wird mittels GPS (Global Positioning System) aufgezeichnet. Das erleichtert einerseits die Auffindung bestimmter Denkmale während des Fluges, andererseits die Lokalisierung der entdeckten und fotografierten Bewuchsmerkmale. Die Fotos werden im Nachgang georeferenziert. Damit lässt sich der Befund mit dem Kartenblatt zur Deckung bringen. Die fotografierten Stellen werden in einer Datenbank und einem Geographischen Informationssystem präzise beschrieben. Die archivierten Daten dienen sowohl für wissenschaftliche Zwecke als auch zum Schutz der erfassten archäologischen und historischen Stätten.
Dr. habil. Ronald Heynowski
Referent Inventarisation / Dokumentation
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