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Archäologischer Stadtkataster Sachsen

Arbeitsgruppe Archäologischer Stadtkataster

Fehlstellenkartierung und Überlagerungsplan Oelsnitz / V. digitalisiert durch HTW (FH) Dresden - Fachbereich Vermessungswesen/ Kartographie
Fehlstellenkartierung und Überlagerungsplan Oelsnitz / V. digitalisiert durch HTW (FH) Dresden - Fachbereich Vermessungswesen/ Kartographie  © Landesamt für Archäologie

Das Landesamt für Archäologie erarbeitet seit dem Jahr 1993 archäologische Stadtkataster für die mittelalterlichen Stadtkerne sächsischer Städte. Innerhalb des Landesamtes ist die Arbeitsgruppe Stadtkataster den Zentralen Fachdiensten zugeordnet und Teil der Denkmalinventarisation.

Die Erstellung der archäologischen Stadtkataster ist eine Form der Prospektion, mit deren Hilfe all jene städtischen Flächen herausgearbeitet werden, in denen die potenzielle archäologische Substanz bereits abgetragen wurde. Im Umkehrschluss lassen sich so auch jene Bereiche ausmachen, die als archäologisch relevant gelten.

Die Kartierungen dienen einerseits als Informationsgrundlage für wissenschaftliche archäologische Untersuchungen des Landesamtes, andererseits sollen sie auch dazu beitragen, städtische Behörden und Investoren bei Bauprojekten auf sensible archäologische Bereiche in den Stadtkernen aufmerksam zu machen und Planungshilfe zu leisten. Diese Hilfen können die fachliche Stellungnahme des Landesamtes für Archäologie im Vorfeld von Baumaßnahmen jedoch nicht ersetzen.
Insbesondere in den seit dem 19. Jahrhundert stark überprägten Städten tragen die Kartierungen auch zur Vermittlung des kulturellen Erbes der Städte gegenüber den Bewohnern und Besuchern bei.

Zur Zeit sind 128 mittelalterliche Städte in dem Projekt aufgelistet, 60 davon sind bereits bearbeitet. Im Zentrum der Untersuchungen, die in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen und Versorgungsträgern durchgeführt werden, steht eine Kartierung der archäologischen Fehlstellen, auf denen alle Bodeneingriffe wie Hauskeller, Gruben, Tiefgaragen, Fußgängerunterführungen und Leitungstrassen eingezeichnet werden.

Die Daten hierzu werden auf einer breiten Quellenbasis aus Archivalien, Bauakten, Leitungsplänen, historischen Karten und Stadtansichten sowie Unterlagen der Brandversicherungen erhoben. Dort, wo die Quellenlage problematisch ist, werden ergänzend Begehungen vor Ort durchgeführt. Die erarbeiteten Resultate werden in Karten des Maßstabes 1/1000 übertragen. In Kooperation mit dem Fachbereich Vermessungswesen/Kartographie der Hochschule für Technik und Wirtschaft (FH) Dresden werden diese Karten sukzessive digitalisiert.

Ein archäologisches Stadtkataster besteht aus Ordnern kopierter Archivalien, Aufnahmebögen, Datenbanken und Karten in verschiedenen Ebenen. Auf den Karten paust sich gleichsam der zumeist längst obertägig nicht mehr erkennbare archäologisch-historische Bestand auf den modernen Stadtplan durch. In vielen Städten gelingt eine Überlagerung der modernen auf die zeitgenössischen Stadtstrukturen, so dass sich ein eindrucksvolles Bild vom Wandel der Stadt ergibt.

Die Kartierungen zeigen folgende Strukturen:

Die Lage der modernen Straßen und Flurstücke mit ihren Bezeichnungen. Bei einigen Städten findet sich darunter projiziert die Lage der alten, veränderten Flurstücke. Als graue Raster ist die Lage der stehenden Häuser dargestellt, hellgraue Raster mit feinen Umrandungen geben die Lage abgegangener Häuser an und somit die Lage von Brachen. Die Keller verschiedener Zeitschichten sind farbig markiert. Grün sind die tiefen Bodeneingriffe der Nachkriegszeit, blau dargestellt sind die Keller des 19. und 20. Jahrhunderts (in einigen Städten geben verschiedene Blautöne genauere Datierungen an).

Kartenausschnitt Chemnitz Jacobikirchplatz mit gründerzeitlichen (blau) und mittelalterlichen (rot) Kellern unter Rathaus und Kirche. - © Landesamt für Archäologie
Kartenausschnitt Chemnitz Jacobikirchplatz mit gründerzeitlichen (blau) und mittelalterlichen (rot) Kellern unter Rathaus und Kirche. - © Landesamt für Archäologie  © Landesamt für Archäologie

Die zumeist kleinteiligeren Unterkellerungen aus der Zeit vor dem Umbau der Städte im Zuge der Industrialisierung 1850 bzw. 1870 sind mit roten Flächen markiert. Durch Rasterung und Farbunterschiede werden unsichere Befunde ausgewiesen. Detaillierte Informationen sind den individuell abgestimmten Legenden der einzelnen Städte zu entnehmen.

Als Faustregel lässt sich festhalten: Seit dem 19. Jahrhundert angelegte Keller sind als archäologische Fehlstellen zu betrachten. Hier sind keine archäologischen Befunde mehr zu erwarten. Archäologisch von Bedeutung sind die älteren, rot markierten Keller, die zumeist mittelalterlich und frühneuzeitlich sind. Einerseits kann die Bausubstanz selbst oder die Verfüllungen der Gewölbezwickel von hohem Wert sein. Oft erlaubt ihre Lage Rückschlüsse auf eine längst überprägte obertägige Bebauung, die sich nicht selten dynamisch verändert hat, während die Lage der Keller Stadtbränden und Kriegen getrotzt haben und in ihrer Lage seit Jahrhunderten konstant blieben.

Kartenausschnitt Chemnitz Poststraße mit gründerzeitlichen Kellern und Sickergruben; gelb markierte Keller unbekannter Ausdehnung; rot gerastert archäologisch ausgegrabener Bereich. - ©Landesamt für Archäologie
Kartenausschnitt Chemnitz Poststraße mit gründerzeitlichen Kellern und Sickergruben; gelb markierte Keller unbekannter Ausdehnung; rot gerastert archäologisch ausgegrabener Bereich. - ©Landesamt für Archäologie  © Landesamt für Archäologie
Aus Sicht der archäologischen Denkmalpflege markieren die weiß gebliebenen Flächen jene Areale, in deren Untergrund das archäologische Bodenarchiv noch intakt sein kann. Ihnen gebührt also im Vorfeld von Baumaßnahmen besondere Aufmerksamkeit durch das Landesamt für Archäologie.
Als Beispiel einer digitalisierten Karte wird hier die Stadt Wurzen im Muldentalkreis vorgestellt.

Die Bearbeitung erfolgte in Kooperation mit der HTW (FH) Dresden, Fachbereich Vermessungswesen/Kartographie.
Mit nachhaltiger Unterstützung der Stadtverwaltung begann das Landesamt für Archäologie im Herbst 1999 mit der Untersuchung der Bauakten im Bauamt Wurzen. Die reichhaltigen Aktenbestände wurden vollständig durchgesehen und die daraus erhobenen Informationen in eine analoge Fehlstellenkartierung übertragen. Ergänzend zu diesen Arbeiten wurden im Staatsarchiv Leipzig befindliche Unterlagen der staatlichen Brandversicherung über Wurzen aus dem 19. und frühen 20. Jh. gesichtet. Diese Bestände wurden jedoch für nicht nutzbar befunden, da zwar einzelne Hausbeschreibungen aber keine Lagepläne erhalten sind.

Aus diesem Grund wurde vom Landesamt für Archäologie eine AB Maßnahme beantragt, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 4. Dezember 2000 bis zum 23. Februar 2001 Kellerbegehungen in Wurzen durchführten. In deren Verlauf wurden ca. 300 Keller aufgesucht und in einem Schnellverfahren vermessen. Die bereits vorliegende analoge Kellerkartierung wurde mit Hilfe dieser neu gewonnenen Daten sorgfältig überarbeitet und ergänzt. Ab Mai 2001 wurde die Kartierung mit dem Programm FreeHand digitalisiert. Hier sind die Keller entsprechend einer Grob-Datierung farbig gekennzeichnet: rot=vor 1850; blau= 1850-1945; grün= nach 1945. Der jeweils helle Farbton steht für unbekannte Ausdehnung eines Kellers, zu gelb gekennzeichneten Flächen lagen keine Informationen vor.

Deutlich zeichnen sich im Kernbereich der Stadt die rot eingefärbten Kellergrundrisse z.T. mittelalterlicher Herkunft ab. Im Unterschied zur gründerzeitlichen und modernen Bebauung nehmen sie nie die gesamte Grundfläche eines Hauses ein. In einigen Fällen liegen sie auch nicht in der Flucht des darüber errichteten Gebäudes, ja sogar außerhalb des aufgehenden Mauerwerks - vgl. Jakobsplatz 2 und 7. Dies sind deutliche Hinweise darauf, dass die Keller zu einem Vorgängerbau gehörten und in nachfolgende Bebauungen einbezogen wurden.
In den äußeren Bezirken herrscht die blaue Färbung der moderneren Bebauung vor. Selbst im Zentrum der Stadt finden sich noch zahlreiche Flächen ohne tiefergehende Eingriffe. Hier befinden sich die Stellen, die für die Stadtarchäologie noch aussagekräftig sind und bei künftigen Bebauungen berücksichtigt werden müssen.

Die Kartierung bietet somit verschiedene »Lesemöglichkeiten«: Ein Blick erlaubt rasche Auskunft über das archäologische »Potential«; zugleich gibt die Kolorierung der Keller-Alter einen Eindruck von Entwicklung und Wachstum der Stadt.

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