Ein linienbandkeramischer Brunnen von Altscherbitz, Flughafen Leipzig/Halle
Ein Stück Flughafen Leipzig/Halle wurde in Dresden ausgegraben.
Die Anlage besteht aus einer fast sieben Meter tiefen Baugrube mit einem Durchmesser von etwa 2,6 Metern. Hierin ist in Blockbauweise der hölzerne Brunnenkasten mit einer lichten Innenweite von 100 mal 110 cm aus bis zu 40 cm mächtigen Eichenbohlen hochgezogen. Das Holz hat sich unter dem Grundwasserspiegel in einer Höhe von etwa 3,5 Meter erhalten und konnte dendrochronologisch in die Zeit kurz vor 5100 v. Chr. datiert werden. Damit stellt der Brunnen von Altscherbitz eines der ältesten erhaltenen Holzbauwerke der Welt dar. Nach der Aufgabe des Brunnens wurde dieser Schacht in mehreren Perioden mit Sediment verfüllt, wobei eine bemerkenswerte Menge an Funden in der Verfüllung deponiert wurde.
Die Freilegung der oberen Teile des Blocks erwies sich anfänglich als recht unspektakulär: Die Holzbohlen waren stark verwittert und die natürlich eingeschwemmten Schichten enthielten nur vereinzelt kleine Fundstücke. Die Situation änderte sich schlagartig, als nach einem dreiviertel Meter, also über vier Meter unter der ehemaligen Geländeoberkante, das erste unversehrt in den Brunnen deponierte Gefäß freigelegt wurde. Hierbei handelt es sich um das bislang einzig bekannte vollständig erhaltene Gefäß im sog. Šárka-Stil mit einer organischen Verzierung aus in Pech eingeklebten Birkenrindeintarsien. Unterhalb dieses Niveaus fand sich ein fast zwei Meter mächtiges Schichtpaket aus sehr dunklem, humosem und mit organischen Resten und Funden durchsetztem Sediment. Aus dieser Verfüllung konnten gut drei Dutzend Keramikgefäße, etwa die Hälfte davon unversehrt, mehrere Knochenwerkzeuge und einige Steingeräte geborgen werden. Ein erheblicher Teil der Gefässe weist Reparaturen auf, die sich unter normalen Grabungsbedingungen nie erhalten hätten. Ebenso wichtig wie die kulturellen Funde sind die ökologischen Reste, die sich unter Luftabschluss hervorragend erhalten haben. Insektenreste, Schneckenhäuser, Knochen von Amphibien und Kleinsäugern, Hölzer, Samen und Früchte erlauben einmalige Einblicke in die damalige Umwelt.
Die unteren Schichten bestanden aus unter Wasser abgelagerten Verfüllungen die sich durch eine exzellente Konservierung von organischen Funden auszeichneten. Neben bearbeiteten Hölzern konnten sehr vielen Schnurfragmente sowie mehrere intakte, aus Baumrinde gefertigte, Taschen geborgen werden. Unterhalb dieses Bereichs der Verfüllung des Schachtes liegt das Sediment, das sich während der Benutzungsfase der Anlage abgesetzt hat. Der Unterschied zu den sehr dunklen, stark humosen Schichten ist bemerkenswert. Das Sediment ist sehr viel heller und sandiger und enthält nur noch vereinzelt Einschlüsse wie Holz, was darauf hindeutet, dass der Brunnen regelmäßig gereinigt wurde oder sogar oberirdisch abgedeckt war, damit kein Unrat ins Wasser gelangte.
In einem weltweit einmaligen Projekt wird die gesamte Anlage mittels 3D-Laserscans digital rekonstruiert. Anschließend an die Freilegung sind die Konstruktionshölzer mit Messpunkten versehen, die hochpräzise eingemessen wurden. Nach Reinigung durch die Restaurierungsabteilung des Landesamtes wurden die Balken mit dem hauseigenen 3D-Laserscanner erfasst. In einem komplexen Verfahren sind dann die so entstandenen Modelle der einzelnen Balken am Rechner wieder in Originalposition zusammengefügt wurden. So ist ein komplett digitales Abbild der gesamten Anlage im Maßstab 1:1 mit einer Genauigkeit im Millimeterbereich entstanden. Die wichtigsten Funde werden ebenfalls mittels Laserscan dokumentiert und können als fotorealistisches Modell dargestellt werden für Publikationen und multimediale Präsentationen.
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Literaturhinweise:
- S. Friederich: Luftige Zukunft. Der Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle führte zu bemerkenswerten archäologischen Entdeckungen. ARCHÆO 2, 2005, 4-9.
- H. Markgraf & G. Bretzke: Die Leipziger Brunnenbergung. Reisevorbereitungen für einen steinzeitlichen Brunnen. ARCHÆO 3, 2008, 12-15.
- R. Elburg: Siebzig Tonnen Steinzeit. Die Ausgrabung des bandkeramischen Brunnens von Altscherbitz hat vielversprechend begonnen. ARCHÆO 5, 2008, 12-17.
- R. Elburg: Eine Dechselklinge mit Schäftungsresten aus dem bandkeramischen Brunnen von Altscherbitz. Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege, Band 50, 2008, 9-15.
- R. Smolnik (Hrsg.): Brunnen. Begleitzeitung zur Ausstellung "Funde die es nicht geben dürfte. Brunnen der Jungsteinzeit in Sachsen" im stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Dresden 2010.
- R. Elburg: Der bandkeramische Brunnen von Altscherbitz – Eine Kurzbiografie. Ausgrabungen in Sachsen 2, 2010, 231-234.
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Der bandkeramische Brunnen von Brodau
Im Frühjahr und Sommer 2005 wurde bei Brodau, Kr. Delitzsch, ebenfalls ein bandkeramischer Brunnen ausgegraben. Sein Erhaltungszustand war weniger gut als derjenige vom Flughafen Leipzig/Halle. Eine dreidimensionale Ansicht verdeutlicht hier die Lage des Brodauer Befundes.
Dr. Harald Stäuble
Referatsleiter Braunkohle und lineare Bauvorhaben. Zugl. Gebietsreferent Kreis Leipzig (Altkreis Leipziger Land), Stadt Leipzig (ohne Stadtkern)
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